Deutschland – Im Zwergenland des „ein bisschen“ 22.06.2020 • 09:24 Uhr https://de.rt.com/27yt
„Ich weiß, meine Lieder, die ändern nich' viel, ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt“, sang Nicole 1982 und gewann mit „Ein bisschen Frieden“ den Eurovision Song Contest.
„Alle tun so, als würden sie auf Eierschalen laufen“, sagte Clint Eastwood einst als eine Art Zeitdiagnose. Nur niemandem wehtun, und beim kleinsten Widerstand einknicken – Wolf Reiser zeigt auf, was das mit dem deutschen Sieg beim Eurovision Song Contest 1982 zu tun hat.
von Wolf Reiser
Fährt man in diesen Tagen durch dieses Land, am besten im eigenen Auto mit seiner Lieblingsmusik und einem zugeneigten Menschen an der Seite, dann sehnt man sich danach, den eigenen Augen nicht trauen zu müssen. Die imperiale Seuche mit, Stand 20. Juni, knapp 500.000 Toten – so viele Menschen sterben übrigens weltweit an zwei Tagen – aus dem Hause WHO und Wuhan hat der überforderten Nation den Rest gegeben.
Die Nachhallkriege von 9/11, das daraus erfolgende Migrationschaos, serielle Klimaapokalypsen und die Verblödungskampagnen der Medienkartelle haben die nervliche Zerrüttung vorbereitet. Nur so lässt sich erklären, dass eine Handvoll eloquenter Virenexperten und ein Stab ahnungsloser Politdarsteller mit ein paar Handstreichen einen nationalen Lockdown mit offenem Ende ausrufen konnten. Wie von hypnotisierten Pagageien wurden und werden dabei die im November 2019 vorformulierten Strategieworthülsen der „WEF- und Event 201“-Kampagnensitzung nachgeplappert.
Wer höflich auf diesen Irrsinn hinweist, gilt in den Augen des Regenbogen-GroKo-Oberkommandos als Holocaustleugner. Auf so etwas muss man einmal kommen. Darauf erst mal einen Dujardin. Oder besser zwei. Aber es soll von etwas ganz anderem die Rede sein. Die systematische Traumatisierung hat die Gesichter und Herzen und Gedanken der Deutschen radikal und dauerhaft verwandelt. Ich möchte die kollektive Selbstaufgabe anhand eines eher kleinen sprachlichen Alltagsphänomens beschreiben. Und zwar geht es um die hyperinflationäre Verwendung des unbewusst-verschämten „ein bisschen“.
Was sich zunächst wie eine Petitesse ausnimmt, ist längst ein alles durchwucherndes Krankheitsbild der deutschen Verzagung geworden.
Sie halten das für banal? Vielleicht haben Sie recht. Ich halte es für kennzeichnend und alarmierend. Schalten Sie einfach zu einem beliebigen Zeitpunkt TV oder Radio an, wo es Sendungen gibt, in denen über Politik, Sport, Kultur oder auch über Viren, CO2 und Sklavenhändler debattiert wird. Es dauert keine zehn Sekunden, bis die ersten „ein bisschens“ ins Spiel kommen. Hobbykabarettisten wie Lars Klingbeil oder Robert Habeck bringen es auf gut fünf Anschläge pro Minute, stets flankiert von einer zwangssäuerlichen und um Seriosität bemühten Mimik.
Es vergeht kein Statement – ob Volksvertreter, Impfstoffexperte oder Medienschaffender – ohne dieses matte, leblose „ein bisschen“. Jogi Löw fordert Verständnis für „ein bisschen einen harten Generationswechsel“. Norbert Röttgen plädiert für ein bisschen mehr glasklare Kante gegenüber Putin, Trump und Corona. Und vom SPD-Lars ist zu vernehmen, dass es ein bisschen Radikalität braucht – gerade beim Sozialen und bezüglich der Menschen draußen vor dem Bildschirm.
Und dass jeder von uns allmählich ein bisschen für das gute Klima tun muss, ist unbestritten. Und ein bisschen mehr Demut gegenüber den Fernsehgeldern, erwähnt BVB-Watzke und fordert ein bisschen mehr Abstand beim Torjubel. Und überhaupt: ein bisschen mehr Vernunft und ein bisschen mehr Biss, bitte. Achten Sie bitte von nun an ein bisschen darauf, und erfreuen Sie sich an den absurdesten Verwendungen dieses urkomischen Indefinitpronomens.
Sprache macht Seele. Und Seele macht Sprache.
Ein Bisschen kann man visualisieren als einen winzigen Biss im Sinne des Vorkostens bei Wölfen oder Neandertalern, also erst einmal abchecken, ob der saftige Bratenfund keine Falle darstellt.
Lange vor der epidemischen Verwendung trug im Jahre 1982 eine jungfräuliche Erscheinung ein Lied vor. Die damals 17-jährige Nicole begleitete sich auf einer taubenweißen Friedensgitarre und gewann für Deutschland den Grand Prix de la Chanson d'Eurovision. Ornamentiert von stahlblauen Cruise-Missiles und entzückenden Friedensmärschen berührte das Mädchen mit der frohen Botschaft die Herzen von bis heute fünf Millionen Plattenkäufern: „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne für diese Erde, auf der wir wohnen. Ein bisschen Frieden, ein bisschen Freude, ein bisschen Wärme, das wünsch' ich mir …“
Die pandemisch-paranoide Menschheit steht im Juni 2020 sicher vor wichtigeren Problemen, als über das bisschen Bisschen nachzudenken. Arbeitslosigkeit, Gewalt, Armut, Klima, Digitales und klar, logo, Bildung und Konflikte überall, die FED, die Horrorclowns in Brüssel, schöne neue Siedlungen im Nahen Osten – all das wiegt weitaus schwerer als das inflationäre und sublative „ein bisschen“. Dennoch lohnt sich ein spielerisches Zoomen.
Ein bisschen heißt nicht viel, also ein klein wenig, etwas mehr als nichts und auf gar keinen Fall das volle Maß, sprich Klartext, konkretes Bekenntnis, Wille und felsenfeste Überzeugung. Der Verwender des „ein bisschen“ mag keiner Seele wehtun, auch und gerade nicht der eigenen. Er entscheidet sich indessen entschieden für die Unschlüssigkeit, die Indifferenz, das Vage und jederzeit Relativierbare. Ein bisschen hat keinerlei Lust auf Konfrontation. Und es gestattet jede Form von Rückzug oder gar späterer Negation. Alles verliert sich in einem Schwamm aus Nebel und Morast.
Ein bisschen, das ist weit mehr als Sprachverwahrlosung und Ichlosigkeit; es steht für den feigen, verzagten und verängstigten Menschen und einen politisch korrekt in den Ringseilen liegenden Bürger zwischen Luftballons und Mausefallen.
Mehr lesen:Nach dem Lockdown brechen Wirtschaft und Gesundheitswesen des Westens zusammen – mit Millionen Toten
Das „ein bisschen“ gehört zur Hinterlassenschaft der global operierenden Sprachpolizei und bei uns zur Ära Angela und einer sprachlosen, wertarmen und abgeduckten Republik.
Niemand hat hier noch irgendetwas von Bedeutung zu sagen, aber selbst davor baut sich ein Angstdamm auf. Ach, wie schön wäre doch ein bisschen mehr Zivilcourage und ein bisschen mehr Biss, Klartext, Mannsein. Doch ein toxisches Piercing hat sich in den Blockadebunkern der gehemmten Haltungsakrobaten verheddert, und die erstickten Melodien sagen mehr über dieses Land und seine innere Verfassung aus als soziologische Wälzer und massenpsychologische Analysen.
Knapp zwei Jahrzehnte nach Nicoles Ballade ging es beim frisch gewählten rot-grünen Salonrebellen-Duo um richtig Trouble. Ein Shithole namens Kosovo zwang die Clinton-Butler zu einer Art NATO-affiner Reifung; nebst ein bisschen Uran auf Belgrad, „ein bisschen Freude, ein bisschen Wärme, das wünsch' ich mir …“ Eine Orgie des ein bisschen illustriert unseren Absturz in die Diktatur des großen Nichts. Täglich erfahren wir das Siechtum der politischen Rhetorik und der medialen Unterwerfung. Haben Sie sich schon einmal nüchtern eine Bundespressekonferenz betrachtet?
Wenn heute ein Mensch, ob Kubicki, Thomas Müller oder Kekulé, ohne endloses inneres Abwägen mal etwas Menschliches von sich gegeben hat, folgt umgehend die Relativierung. Nein, bitte, Moment: So habe man es nicht gemeint, zudem wurde es aus dem Zusammenhang gerissen und aus Rücksicht auf ein laufendes Verfahren möge man sich an die Kanzlei von Franz Kafka wenden.
Lange schon bevor Billy the Kid das globale Wohl in die Hand genommen hat, waten wir durch ein Disneyland aus Halbherzigkeit und Querschnittslähmung. Würde Herodot im Sommer 2020 durch Deutschland reisen, würde sich seine Reportage in etwa so lesen wie Gullivers Besuch im Zwergenreich, und in Briefen an seine Athener Frau würde er bemerken, dass ein schweres Rad der Geschichte über dieses Volk gerollt sein muss, wo sich jeder ständig auf die Zunge beißt, Silben verschluckt, abends ein bisschen über den Durst trinkt, Yogafreaks ein bisschen in sich gehen und derzeit alle ein bisschen auf Distanz gepolt sind und viele bekennen, dass sie durchaus ein bisschen an Gott glauben.
Immerhin, so verlautbarten SAP, Telekom und Jens Spahn, soll die großartigste Virenapp des freien Westens mit absoluter Sicherheit ein sehr bisschen sicher sein.
PS: Seit mir diese Unart aufgefallen ist, überprüfe ich mich und meine Rede sehr genau. Jedes Mal, wenn mir diese Formulierung unterläuft, stecke ich 50 Euro in den Schlitz meiner Ming-Vase.
Merken Sie sich: Wenn man bei sich selbst beginnt, wird man in kurzer Zeit nicht nur ein vermögender Ehrenbürger, sondern erlangt zudem sprachliche Reife und innere Katharsis.